„Wie ein Sack, in den man zu viel reinstecken wollte“

Landtagsabgeordnete Frey und Katzenstein informierten über Handelsabkommen CETA

Zur Veranstaltung „CETA und die Folgen“ begrüßte Juliane Gräbener-Müller, Vorsitzende des Ortsverbandes Bammental von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den europapolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Josha Frey, und dessen Fraktionskollegen Hermino Katzenstein, der ihn in seinen Wahlkreis nach Bammental eingeladen hatte. Beide kamen direkt von der Fraktionssitzung in Stuttgart. „Wer Anfragen zu den Freihandelsabkommen an die Fraktion richtet, bekommt die Antwort von mir“, sagte Frey, der aus Schwarzach stammt und sich entschuldigte, „wenn ich in den Dialekt zurückfalle“.

Das Abkommen der EU mit Kanada unterscheide sich von allen bisher abgeschlossenen Freihandelsverträgen durch den Negativlistenansatz, das heißt. der Vertrag betreffe alles, was nicht jetzt schon ausdrücklich ausgenommen wurde, erläuterte der Abgeordnete. Seit Anfang Juli liege die deutsche Übersetzung des CETA-Vertrages vor, es sind über 1500 Seiten. „Das ist wie ein Sack, in den man zu viel reinstecken wollte – und den man nun nicht mehr zu bekommt.“ Frey machte klar, dass der CETA-Ausschuss, der mit Beamten der EU-Kommission und Kanadas besetzt sei und den Vertrag auch nachträglich auslegen und ändern könne, nicht demokratisch legitimiert sei. Mit den Schiedsverfahren werde eine Parallelstruktur aufgebaut mit Klagemöglichkeiten nur für ausländische Staaten.

„Fairer Freihandel sieht für uns anders aus“, betonte Frey. Wie – das habe die grün geführte Landesregierung im März 2015 in einem Eckpunktepapier zum Freihandelsabkommen TTIP deutlich gemacht. „Im Koalitionsvertrag haben wir dann vereinbaren können, dass es auch für alle weiteren Freihandelsabkommen gelten soll.“ Während ihrer Klausursitzung habe die Fraktion klargestellt, dass CETA die im Eckpunktepapier enthaltenen roten Linien überschreite, ergänzte Hermino Katzenstein und nannte die Auswirkungen auf die Kommunen und die Daseinsvorsorge, die Regulatorische Zusammenarbeit, die Schiedsgerichte und Investitionsschutzbestimmungen sowie die fehlende Verankerung des Vorsorgeprinzips und damit zusammenhängend des Verbraucherschutzes. Nicht berücksichtigt worden sei außerdem ein Gutachten des Tübinger Professors Martin Nettesheim, der für die Landesregierung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass ungenau formulierte Passagen – etwa bei den Themen interkommunale Zusammenarbeit oder Ausschreibungspflichten – zu Missbrauch einladen und den Handlungsspielraum der Länder und Kommunen einengen können.

Allerdings, räumt er ein, hätten die Bundesländer kein scharfes Schwert. „Nur im Bundesrat könnten wir versuchen, mit anderen zusammen Mehrheiten zu organisieren“, so Frey. Katzenstein berichtete von der zurückliegenden CETA-Anhörung im Landtag, bei der jede Fraktion je nach Größe ein bis zwei Experten benannt hatte. Befürworter und Gegner hätten sich die Waage gehalten. Es sei wenig überraschend, dass der Jurist Stephan Schill als künftiger Schlichter bei Konzernklagen das Investitionsschutzkapitel verteidigte.
Die Abgeordneten nahmen sich dann viel Zeit für die interessierten Fragen der Zuhörer.

Thema war unter anderem der Fall Vattenfall, in dem der Energiekonzern aktuell versucht, vor einem internationalen Schiedsgericht in Washington 4,7 Milliarden € Schadenersatz von Deutschland wegen des Atomausstiegs zu erwirken. Auch wurde kritisiert, dass das Investment Court System (ICS) in CETA nicht mit unabhängigen, staatlich finanzierten Berufsrichtern besetzt werden soll. Zum Dank gab es für Josha Frey noch ein Glas Bammentaler Honig von Peter Dunkel, der das Thema angeregt hatte.

jgm